- Physiknobelpreis 1943: Otto Stern
- Physiknobelpreis 1943: Otto SternDer deutschstämmige Amerikaner wurde für »seinen Beitrag zur Entwicklung der Molekularstrahlmethode und für seine Entdeckung des magnetischen Moments des Protons« ausgezeichnet.Otto Stern, * Sorau (Niederschlesien) 17. 2. 1888, ✝ Berkeley (Kalifornien) 17. 8. 1969; 1912-13 Arbeit unter Einstein in Prag und Zürich, 1914-18 Gefreiter, später Unteroffizier mit technischen Aufgaben während des Ersten Weltkriegs, 1920-22 Durchführung des Stern-Gerlach-Versuchs, 1923 Professur in Hamburg, 1933 Emigration in die USA, Professor am Carnegie-Institute of Technology in Pittsburgh.Würdigung der preisgekrönten LeistungWie viele andere verließ der jüdische Physiker Otto Stern auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus 1933 Deutschland. Der gebürtige Schlesier, zum damaligen Zeitpunkt Direktor des Laboratoriums für Physikalische Chemie der Universität Hamburg, trat nach Hitlers Machtergreifung aus Protest von seinem Posten zurück. Seine Abteilung versuchte, ihn zum Bleiben zu überreden, war jedoch ohnmächtig gegen die Vertreibung Sterns. Dem, so eine Diffamierung, »zersetzenden, jüdischen Intellekt« Sterns verdankt die Physik aber nicht nur den experimentellen Nachweis der Richtungsquantelung des magnetischen Moments. Neben zahlreichen Beiträgen zur Atom- und Quantenphysik gelang Stern außerdem ein unzweideutiger und direkter Nachweis der Wellennatur von Teilchen.Einstein und die NullpunktsenergieIn der ersten Phase seiner Laufbahn beschäftigte Stern sich überwiegend mit Fragestellungen der theoretischen Physik, ab 1919 verschrieb er sich dann der Experimentalphysik. Selbst sah sich Stern als »Theoretiker-Experimentator«. Während seiner theoretischen Phase wurde er stark von seinem Lehrer und Vorbild Albert Einstein (Nobelpreis 1921) beeinflusst, dem er 1912 erst als Assistent nach Prag und ein Jahr später weiter nach Zürich folgte und mit dem er in einer lebenslangen Freundschaft verbunden blieb. Gemeinsam mit Einstein veröffentlichte er eine Arbeit, die sich mit der Mindestenergie von Atomen am absoluten Nullpunkt beschäftigte. Obwohl Stern noch eine Reihe weiterer Arbeiten über die statistische Thermodynamik veröffentlichte, war es doch eigentlich die experimentelle Physik, die ihm zu weltweiter Anerkennung und 1943 letztlich auch zum Physiknobelpreis verhalf.Seine Lehr- und Wanderjahre verbrachte Stern in Frankfurt am Main, wo er bis 1921 als Assistent von Max Born arbeitete. Dort wandte sich sein Interesse den experimentellen Beweisen für die fundamentalen Konzepte der Molekularphysik zu. Es gelang ihm, als Erster die Maxwell'sche Geschwindigkeitsverteilung freier Atome experimentell nachzuweisen. Dazu diente ihm die so genannte Molekülstrahlmethode, bei der man sich zu Nutze macht, dass Atome oder Moleküle sich im Hochvakuum analog zu Lichtstrahlen in gerader Linie fortbewegen und sich ihre Bewegungen durch Magnetfelder beeinflussen lassen. Dass die ermittelten Werte für die Fortbewegungsgeschwindigkeit von Atomen mit der Theorie übereinstimmte, war sicher keine überraschende physikalische Erkenntnis, aber diese Arbeit bildete die Grundlage für den so genannten Stern-Gerlach-Versuch, der wiederum einen Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung der Quantenmechanik darstellte.»Bohr hat doch Recht«1913 gehörte Stern noch zu Niels Bohrs (Nobelpreis 1922) vielen Kritikern, die an dessen Konzept der Quantentheorie kein gutes Haar lassen wollten. Dennoch beschäftigte er sich 1920 intensiv mit den neuesten quantenmechanischen Theorien von Bohr und Arnold Sommerfeld. Diese beinhalteten unter anderem, dass beim Einbringen eines Atoms mit einem magnetischen Moment in ein Magnetfeld — entgegen der klassischen Vorstellung — nur zwei verschiedene Richtungseinstellungen des magnetischen Moments zu erwarten wären, und zwar eine parallel und eine antiparallel zum Magnetfeld. Die Frage dieser so genannten Richtungsquantelung glaubte Stern mit seiner Molekülstrahlmethode klären zu können. Zu diesem Zweck sollte eine silberne Kugel im Vakuum stark erhitzt und damit zur Emission von Silberatomen angeregt werden. Diese sollten dann durch zwei Schlitze gebündelt und an den Polen eines Elektromagneten vorbeigeschickt werden. Anhand der Ablenkung des Atomstrahls könnte man dann auf einem Detektor die Richtigkeit der Bohr'schen Theorie überprüfen. Gemeinsam mit Walther Gerlach begann Stern 1920 mit den Vorbereitungen für dieses Experiment, das später den Namen Stern-Gerlach-Versuch tragen sollte. Doch nach der Veröffentlichung des Experimentsprinzips im Jahr 1921 wurde Stern nach Rostock, wenig später nach Hamburg berufen. So führte Gerlach den Versuch in Sterns Abwesenheit im Februar 1922 durch. Das Ergebnis war ein Triumph für die Quantenmechanik: Anstatt der erwarteten Verbreiterung des gebündelten Strahls der Silberatome in dem inhomogenen Magnetfeld, trat eine Aufspaltung in zwei Strahlen auf. Gerlach ließ aufgeregt an Stern telegraphieren: »Bohr hat doch Recht.«Teilchen als Wellen und eine falsche TheorieAm 1. Januar 1923 übernahm Stern schließlich eine Professur in Hamburg. Louis de Broglies gewagte Theorie, dass sich auch Teilchen bei bestimmten Experimenten wie Wellen verhalten können, war für Stern eine weitere Herausforderung. Mithilfe von Beugung von Molekularstrahlen an Kristallen gelang es ihm, die De-Broglie-Wellenlänge der Moleküle zu messen und somit die Wellennatur der Teilchen direkt und eindeutig nachzuweisen.Ein weiteres Projekt wurde in der Fachwelt jedoch als reine Zeitverschwendung angesehen: Der englische Physiker Paul Dirac (Nobelpreis 1933) hatte nämlich eine weithin anerkannte Theorie des magnetischen Moments von Protonen aufgestellt. Nach dieser bestand zwischen dem magnetischen Moment eines Teilchens und dessen Masse ein Zusammenhang von umgekehrter Proportionalität. Stern setzte es sich zum Ziel, durch Messung des magnetischen Moments des Protons und des Neutrons diese Theorie zu überprüfen. Und seine Hartnäckigkeit machte sich bezahlt — der experimentell ermittelte Wert für das magnetische Moment des Protons war nämlich zweieinhalbmal so groß wie erwartet. Für eben dieses überraschende Ergebnis sowie für den Stern-Gerlach-Versuch wurde Stern später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Stern in die USA, ohne jemals wieder nach Hamburg zurückzukehren. Er forschte am Carnegie-Institute of Technology in Pittsburgh, wo er begann, das Molekularstrahllabor neu aufzubauen. Mit geringen finanziellen Mitteln ausgestattet war das Laboratorium aber längst nicht so erfolgreich wie das in Hamburg.Den Nobelpreis für das Jahr 1943 erhielt Stern erst 1944 bereits als amerikanischer Bürger. Noch im höheren Alter konnte sich Stern über die Worte eines älteren Kollegen amüsieren: »Bei mir wären Sie im Examen durchgefallen, weil Sie an Atome glauben!« Es darf getrost als großes Glück für die Physik angesehen werden, dass Stern diesen Glauben nie verlor.C. Hein
Universal-Lexikon. 2012.